Fresken auf Rechelerhaus in Ladis denkmalgeschütztes Gebäude in Serfaus-Fiss-Ladis in Tirol | © Serfaus-Fiss-Ladis Marketing GmbH | Andreas Kirschner
Blogautorin Andrea Serfaus-Fiss-Ladis | © christianwaldegger.com
Andrea

Dorfführungen in Serfaus, Fiss und Ladis

30.09.2021 · Dabei sein, Sommer
Wie lebten einst die bäuerlichen Menschen in Serfaus, Fiss und Ladis? Was hat sie dazu bewegt, ihre Kammern zu täfeln und Gäste zu bewirten? Die Geschichte der drei Bergdörfer wurde von vielen Ereignissen geprägt. Die Dorfspezialisten erzählen bei einer spannenden Dorfführung von ameah. Wie gut kennst du deine Gastgeberregion?

Lesezeit: 6 Minuten

Die drei Dörfer sind reich an Geschichte, die Menschen waren einst ÄRMLICH: Sie schmuggelten Waren aus der Schweiz, Schwabenkinder mussten ihre Heimat verlassen. Die Menschen waren BEWEGUNGSHUNGRIG: Ein sportlicher Geistlicher bestieg als Erster im Winter auf Skiern den Furgler, Platzkarten wurden von Morgeneulen im Pyjama an den Seilbahnen erworben, um schnell auf den Berg zu gelangen. Die Menschen waren DURSTIG: Kaiser Maximilian ließ plombiertes Sauerbrunn-Wasser von Obladis nach Innsbruck liefern. Sie waren VERZWEIFELT: Eine Frischvermählte „rettete“ bei einem Dorfbrand im Haufendorf Serfaus ihr Hochzeitsgeschirr, indem sie es aus dem Fenster warf. Die Tausend-Mark-Sperre beutelte den noch jungen Tourismus und die Realteilung spaltete die Einwohner und hielt die Besitztümer klein. Wie du siehst, ist deine Ferienregion weit mehr als eine Ski- und Wanderregion. Lies weiter und lerne SFL von einer ganz anderen Seite kennen.

Via Claudia Augusta

Die viel zitierte Römerstraße: Die Via Claudia Augusta. Auch ein Ast der Via Claudia Augusta führte hinauf aufs Hochplateau. Den sonnigen Hängen konnten wohl auch die Römer nicht widerstehen. „Die Straße ging vermutlich direkt durch die älteste Bausubstanz nach der Burg: durch das Wohnhaus Platte Nr. 3. Die Römerstraße führte mit Sicherheit zu einer gewaltigen WIRTSCHAFTLICHEN und POLITISCHEN ENTWICKLUNG“, erzählt Kulturobmann und Dorfexperte ARMIN Klien bei der Dorfführung in Ladis.

„15 v. Chr. hat Kaiser Augustus den Stiefsöhnen den Auftrag erteilt, in die Alpen vorzudringen. Bei Bozen teilten sie sich: Einer wählte den Weg über den Brenner, der andere über den Reschenpass. Nördlich des Fernpasses trafen sie sich wieder und drangen weiter bis nach AUGSBURG vor. Die Römer haben am Hochplateau teils neue Pfade errichtet, teils vorgefundene Saumwege genutzt. Die Via Claudia Augusta zweigt dabei von TÖSENS hinauf aufs Plateau und bei Ladis hinunter ins Tal nach PONTLATZ“, erklärt Dorfchronist THOMAS Purtscher bei der Dorfführung in Serfaus. „Die Besiedelung an den Sonnenhängen fand viel früher statt als im Tal“, berichtet Dorfspezialist SIEGFRIED Krismer aus Fiss. „Für die Beschneiung wurde ein Teich am Komperdell ausgehoben. Dabei wurde ein Brandplatz gefunden, der untersucht wurde. Es wurde festgestellt, dass bereits vor 4000 JAHREN in dieser Gegend eine regelmäßige Weidewirtschaft stattgefunden hat. Diverse Funde in allen drei Dörfern sind ein klares Anzeichen, dass unsere Gegend schon früh besiedelt war“.


Backofen: Bitte draußen bleiben

Hast du die BAUCHIGEN Backöfen an einigen alten Hausfassaden schon entdeckt? Früher wurde nämlich in jedem Haus Brot gebacken. Die nach außen ragenden Öfen sind typisch für die RÄTOROMANISCHE Bauern-Architektur in Tirol. Wuchtig ragen sie aus den Bauernküchen hinaus ins Freie. Aber warum? Armin erklärt, warum die Bauern von früher genau wussten, was praktisch ist: „Die älteste Einbauküche befindet sich wohl in Ladis in unserem RECHELERHAUS. Nun wurde sogar der alte Backofen REAKTIVIERT. Er funktioniert wie damals. Der Backofen sparte Platz, die Küche war größer. Ein eigenes Backhaus im Freien war nicht notwendig. Somit konnten die Frauen immer backen und mussten nicht das Haus verlassen.“

In den Küchen wurde gebacken, gekocht und auch GERÄUCHERT. Ein Glück, dass die Menschen früher kleiner waren. Die einstigen Rauchküchen wurden von der Stube aus mit Rauch versorgt, der dann oben an der Decke hing. Übrigens: In einer alten Küche suchst du vergeblich einen Esstisch. Die "Kucha" war nämlich nur ARBEITSRAUM. Das Leben spielte sich in der Stube ab.


Mit dem Fuhrwerk durch die Haustür

Einige Bauernhäuser zeugen noch heute mit ihren riesigen Eingangstoren von der früheren Lebensweise der Bewohner am Hochplateau. Die sogenannten DURCHFAHRTSHÄUSER waren äußerst praktisch. Deren hölzerne Eingangstore konnten nämlich komplett geöffnet werden. Die Bauern fuhren mit ihren Fuhrwerken und Ernten direkt ins Haus hinein. Die rätoromanische Bauweise stammt übrigens aus der Schweiz, von Graubünden. Ein eigener Baustil wurde in der Region nicht entwickelt.

Die hohe Dichte an denkmalgeschützten Häusern, bei denen die alten Zeiten noch deutlich spürbar sind, ist in Ladis besonders hoch. Das kleinste der drei Bergdörfer zählt rund 21 GESCHICHTSTRÄCHTIGE GEBÄUDE. Hier kannst du dich also im Kreis drehen und bist immer von Geschichte umgeben. Das älteste Bauwerk kennst du bestimmt: die Burg Laudeck. Im Sommer kannst du an einer Burgführung teilnehmen. Alle Infos findest du im Wochenprogramm oder im Eventkalender.

Im Stall ging ein Licht auf

Vor genau 100 Jahren, also 1921, ging den Serfausern ein Licht auf. Aber nicht im Haus. Dorfarchivar Thomas kann sich noch gut an die Erzählungen seines Vaters erinnern: „1921 bekam Serfaus ein eigenes KRAFTWERK. Damals hat man die ersten Lampen im Stall bei den Tieren installieren lassen. Nicht in der Stube und schon gar nicht in der Küche, da man dort offenes Feuer hatte. Auch das erste fließende Wasser gab es im Stall. Der Stall diente dem Brotverdienst und stand daher an oberster Stelle. In den Häusern lebten die Menschen äußerst bescheiden.“ „Das Leben der Bauern war sehr hart, es waren aber immer FREIE BAUERN. Sie konnten sich immer gut selbst versorgen. Alle GETREIDESORTEN und Kartoffeln wuchsen nämlich dank des guten Klimas hervorragend“, erzählt Armin den Geschichtsinteressierten.

Nach Süden ausgerichtet

Früher wurden die Wirtschaftsräume immer nach SÜDEN ausgerichtet. Tiere hatten für die Bauern immer oberste Priorität. Die Südausrichtung sorgte für eine bessere Belüftung des Stalls und mehr Sonnenlicht trat hinein. „Konträr zu den anderen Gebäuden steht das STOCKERHAUS in Ladis. Das Haus ist anders ausgerichtet. Hier tappen wir noch im Dunkeln, warum das bei diesem Haus so ist“, erklärt Armin. Ausnahmen bestätigen also auch hier die Regel.

Brunnendörfer

Brunnen sind typisch für rätoromanische Dörfer. Sie sind dir bestimmt schon aufgefallen, oder? Bevor es in den 20er-Jahren das erste FLIESSWASSER gab, spielten sie eine tragende Rolle im Alltag der Dorfbewohner. Sie waren Wasch- und Tränkstelle. Zimperlich durften die Frauen nicht sein. Das Wasser war und ist noch immer sehr erfrischend. Den Großteil des Jahres wurden die Tiere zum TRÄNKEN zu den Brunnen gebracht. Ansonsten holten die Bauern mit Kübeln das Wasser in den Stall. Auch die Burg Laudeck musste mit Wasser versorgt werden. Der ursprüngliche SCHLOSSWEIHER wurde als Wasserspeicher genutzt.

Weißt du, was es mit dem Begriff TOALSTOCK auf sich hat? An der Stelle, an der sich die Sägegasse mit der Oberen Dorfstraße kreuzt, erzählt Siegfried, warum dieser Ort so benannt wurde: "Hölzerne Wasserrohre führten zu den Dorfbrunnen. Beim Toalstock wurde die Leitung mit einem Stock geteilt."


Auf nach Amerika

Siegfried berichtet von der Einwohnerentwicklung seines Heimatdorfs: „Früher wurden nicht Häuser gezählt, sondern Feuerstellen. 1427 hatte Fiss 41 FEUERSTELLEN und 250 Einwohner. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich in den darauffolgenden Jahrhunderten. Mitte des 19. Jahrhunderts bis ca. 1923 ist die Zahl dann wieder gesunken. Die Sterblichkeit war sowohl bei den Kindern als auch Erwachsenen sehr hoch. Viele Fisser sind zudem nach Amerika ausgewandert.“ Doch warum? Die Güterteilung machte es den Tirolern schwer. Sie hatten zu wenig Land, um zu leben. Im fernen AMERIKA lockte genügend Land, um besser wirtschaften zu können. Auch Verwandte von Siegfried wanderten aus und kehrten dem Bergdorf den Rücken.


Aufbaudorf Fiss

Die drei Bergdörfer blieben von den Weltkriegen weitgehend verschont. Direkte Kriegshandlungen gab es am Hochplateau zum Glück nicht. Fiss und andere Tiroler Dörfer wurden während des 2. Weltkrieges bzw. zu Beginn der Machtübernahme des NS-Regims als AUFBAUDÖRFER ernannt. Das Dorf war nämlich nach wie vor ärmlich. Die Wirtschaft wurde angekurbelt und neue Bauernhäuser wurden gebaut. „In den Fisser Höfen wurden vier neue Bauernhäuser gebaut. Sie waren topmodern: Fließwasser im Haus, Spülklosett, hellere Ställe. Es war aber schwierig, Fisser zu finden, die an den Ortsrand ziehen wollten. Einer davon war mein Vater. Er war Tischler und wurde mit einer größeren WERKSTATT gelockt“, berichtet Siegfried.

Brandgefahr

Die Dörfer wuchsen nach und nach über ihre ursprünglichen Grenzen hinaus. Die ENGE in den Ortskernen blieb jedoch. Ein großer Nachteil von Haufendörfern war die enge Bauweise und eine schnelle Brandausbreitung. Dorfbrände gab es bedauerlicherweise auch am Hochplateau, die Löschversuche waren jedoch äußerst bescheiden. Das Jahr 1942 ging in die Serfauser Geschichte ein. Die Unachtsamkeit einer Frau hatte verheerende Folgen. Eine Feuerwehr die schnell zu Hilfe eilt? Fehlanzeige. Es gab zwar FEUERWAALE, bis die Wasserschleusen zu Fuß aber erreicht wurden, waren die Brände meist schon weit fortgeschritten.

Zur Landwirtschaft etwas dazuverdienen

Die Menschen in Serfaus, Fiss und Ladis haben lange Zeit nur von der Landwirtschaft gelebt. Der sich entwickelnde FREMDENVERKEHR brachte für die Bauern neue Verdienstmöglichkeiten. „Die ersten Zimmer, die vermietet wurden, waren aber äußerst BESCHEIDEN. In den Anfangsjahren gab es nicht überall Fließwasser. Doppelbesitzungen wurden schrittweise aufgelöst. Die Einwohner, die das Haus verließen, bekamen als Gegenleistung ein günstiges Darlehen“, so Siegfried.

 „Vier Sportler vom Skiclub Innsbruck, darunter eine Frau, entdeckten 1910 das KOMPERDELLGEBIET für sich. Sie verließen in Prutz den Postwagen und wanderten zu Fuß über Ladis und Fiss nach Serfaus. Die Gruppe war BEGEISTERT von den schönen Hängen. Das Tourismuspflänzchen begann fortan zart zu wachsen“, erzählt der Serfauser Dorfchronist.


Einkehren beim Wirt

Anfang der 20er konnte an den bescheidenen Tourismus angeknüpft werden. Es entstanden erste Gasthöfe. Zu den bereits bestehenden Gasthöfen LÖWE und ZUM SCHWARZEN ADLER kamen weitere Wirte hinzu. Als dritte Gaststätte eröffnete in Serfaus Familie Westreicher in ihrem Bauernhaus 1924 den Gasthof FURGLER. In Fiss war das Gasthof LAMM bis Anfang der 1960er-Jahre das einzige Gasthaus in Ort. Der Wirt besaß zudem das erste AUTO im Dorf. Ein Unfall folgte sogleich. Nach dem Gasthof Lamm wurden weitere Wirtshäuser eröffnet, darunter: Gasthof TIROL, BERGFRIEDEN, BERGBLICK und FISSERHOF. In Ladis müssen wir die Uhren noch ein wenig weiter zurückdrehen. Jahrhundertelang war das Gasthof ROSE in Ladis ein Wirtshaus. Das einstige Durchfahrtshaus trägt die Jahrzahl 1590. Über eine Freitreppe gelangten die Gäste einst in die Gaststube im 1. Stock.

Verrückte Serfauser

Thomas erinnert sich an den BAUBOOM 1968: „Ich war 10 Jahre alt und habe die Kräne in Serfaus gezählt. Es müssen 12 oder 13 gewesen sein. Die Bettenanzahl ist Ende der 60er-Jahre exponentiell gestiegen. Mit den vielen Gästen steuerten wir jedoch auch auf ein Verkehrsproblem im Dorf hin“. 1973 wurde ein FAHRVERBOT á la Schweizer Vorbild erlassen. Rein durfte nur, wer mindestens eine Nacht blieb. Gegen eine Entschädigung von einem Schilling konnten die Gäste den kleinen Skibus zu Beginn des Fahrverbotes zu den Talstationen benutzen. „Die Problemlösung hielt aber nicht lange. Aus einem kleinen Bus wurde ein 20-Sitzer, ein Linienbus, später 3 Busse, dann 4 Busse usw. Serfaus ERSTICKTE erneut im Verkehr. 1984 erfolgte dann der Spatenstich der U-Bahn. Und Serfaus wurde erneut für größenwahnsinnig erklärt“, erzählt der Serfauser Thomas grinsend. Der Erfolg gibt den Pionieren von damals aber recht. Ihre Projekte (erste große Pendelbahn für 25 Personen, Fahrverbot, Bau U-Bahn, Erschließung Masner, etc.) waren mutig, zielstrebig und vielleicht auch ein wenig VERRÜCKT. Aber die Rechnung ging auf.

Noch mehr Geschichte?

Bei den Dorfführungen erfährst du noch mehr KULTUR, mehr GESCHICHTE, mehr SERFAUS, FISS und LADIS.

Im Wochenprogramm und im Veranstaltungskalender findest du die aktuellen Termine in den Sommermonaten.
Viel Spaß!


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