People of SFL: Kurhotel-Seniorchefin Burgl Kirschner
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Geschichten aus sicherer Quelle
Nachdem ein Hirte im 13. Jahrhundert eine Sauerbrunnquelle oberhalb von Ladis entdeckte und sich jenes säuerlich schmeckende Wasser als besonders heilsam herausstellte, entwickelte sich in Obladis ein lebhafter Kur- und Badebetrieb. Die zufällige Entdeckung der Schwefelquelle im 19. Jahrhunderte durch Herrn Simon Kapferer verlieh dem Kurort noch mehr Beliebtheit, weit über die Landesgrenzen hinaus, wie mir später Burgl Kirschner berichtet.
Über Jahrhunderte pilgerten Menschen aus aller Welt in das Bergdorf, um sich zu erholen und zu genesen. Abseits aller Hast. Die Welt drehte sich damals zwar nicht so schnell wie heute, dennoch sehnten sich auch die Kurgäste in Obladis nach der „grünen Einsamkeit“ und Entschleunigung und verließen nach dem Aufenthalt erholt das sonnige Hochplateau. Damals wie heute ist die Natur ein wundervoller Kraftort, der Körper und Seele einfach guttut.
Gruß aus der Heimat
Kurhotel mit Komfort
1835 startete man mit einem Nobelhotel in die erste Sommersaison. Früh erkannten die Gäste, dass das burggekrönte Dorf ein magischer Ort ist. Das Hotel wurde ständig erweitert und glänzte mit allerlei Annehmlichkeiten: Zentralheizung, Kalt- und Warmwasserleitungen, elektrisches Licht, tägliche Postzustellung, fernmündliche Dauerverbindung, ärztliche Betreuung, Kurmittel und Bäder, Schwimmbad mit Kinderplanschbecken und vieles mehr. Burgl zeigt mir auf dem Plan, dass wir uns gerade in der Dependance des ehemaligen Hotels befinden, also im Nebengebäude. Das gegenüberliegende "Kur-Haus" brannte aus ungeklärten Gründen in den 70er Jahren ab und wurde nie wieder aufgebaut. Bei meinem Besuch bei Burgl habe ich aber das Gefühl als wäre die Zeit der Kurbäder erst gestern gewesen. Die Geschichten aus den alten Zeiten sprudeln nur so aus ihr heraus. Gespannt lausche ich ihren Worten.
Die Sommerfrischler atmeten die klare Bergluft ein, tranken das Wasser aus der dort entspringenden Heilquelle in der Wandelhalle, unterzogen sich der körperlichen Ertüchtigung auf den ausgedehnten Spazierwegen und genossen die vielen Sonnenstunden. Das gesellschaftliche Miteinander war auf allen Ebenen spürbar. Die Kurgäste spielten beispielsweise gemeinsam Tennis oder Cricket, schwammen im kristallklaren Bergsee, kegelten um den Sieg, gingen zum Friseur, schrieben Postkarten oder nahmen an gesellschaftlichen Veranstaltungen teil. Das Angebot an Unterhaltungsmöglichkeiten im und um das Kurhotel war für die damalige Zeit sehr bemerkenswert.
Bei meinem Besuch kramt Burgl auch einige alte Urlaubsprospekte aus. Die Illustrationen könnten in der heutigen Zeit beinahe als hip bezeichnet werden. Auch die Ausstattung des Hotel in den 50er Jahren kann locker mit heutigen Designermöbeln mithalten. Flair hatte das Hotel auf jeden Fall. Die bunten Seiten verführten den Leser, oftmals bereits in mehreren Sprachen, zu einem Erholungsurlaub in Obladis. Vorhang auf für einen Schwenk in alte Zeiten:
Bad Obladis, Österreichs höchstgelegenstes Kurhotel (1386 Meter), ist durch das Zusammentreffen einer Reihe besonderer Vorzüge bemerkenswert. Eines der ältesten Etablissements dieser Art im Lande Tirol, verdankt der Ort seine Entstehung der dort entspringenden Heilquellen : Kalksäuerling und erdalk. sulf. Schwefelquelle. Obladis hat sehr mildes Klima (das nach den meteorologischen Untersuchungen von Prof. v. Ficker, Berlin, großen Annäherung an den Schweizer Kurorte zeigt), starke Höhensonne und eine gegen Osten und Süden freie Lage inmitten ausgedehnter Fichtenwälder. Ein seltener Rundblick, der gegen den Himmel mit einem Kranz gewaltiger Berge schließt, sowie Ruhe und Abgeschlossenheit vom hastigen Weltgetriebe sind daneben nicht minder stärkend für Leib und Seele.
[…] Das Kurhotel kann 100 Personen beherbergen, hat großen Speisesaal, sonnige Frühstücksveranden, Gesellschaftsräume, Bäder, Zentralheizung, Kalt- und Warmwasseranlagen, Herren- und Damenfriseur und eigenes Postamt (fernmündliche Dauerverbindung). Ruf- und Drahtanschrift: Kurhotel Obladis-Tirol. […] Die ärztliche Leitung führt Herr Dr. med. Pius Schumacher. INDIKATIONEN für einen Kuraufenthalt in Obladis sind alle Arten von Überarbeitungszuständen, zur Rekonvaleszenz nach schweren Krankheiten, Toxikosen oder Operationen, insbesondere bei Katarrhen der Atmungsorgane, Zuckerkrankheit, Migräne, Herzneurose … […]
Gesunde Höhenluft
Neben dem heilsamen Wasser und den vielen regionalen Produkten, zeichnet sich das Hochplateau auch durch seine erwiesenermaßen gesunde Bergluft aus. Wer nach Serfaus-Fiss-Ladis möchte, der muss schon den Blinker im Inntal setzen. Liegen die drei Dörfer ja auf einem Plateau, das durch keinen lästigen Durchzugsverkehr gestört wird. „Durch die klimatischen Besonderheiten bei uns wurde Anfang der 50er Jahre sogar ein Sanatorium für asthmakranke Kinder in Neuegg, oberhalb von Ladis, errichtet. Bei uns kann man gut durchatmen“, so Burgl.
Gäste aus nah und fern
Burgls Küche duftet nach frisch gebrühtem Bio-Kaffee und selbstgebackenen Dinkelwaffeln. Bei ihr fühlt man sich in Kürze wie bei der eigenen Oma daheim. Die Dame hat das Herz einfach am rechten Fleck. Ich werde bestens umsorgt. Während ich mir noch einen Schluck Sauerbrunn gönne, kramt Burgl einige alte Fremdenbücher aus, in denen alle Gäste, die im Kurhotel die Sommerfrische, und später ihren Winterurlaub, verbrachten, aufgelistet wurden.
„Schau, sogar aus Peking oder Chicago reisten sie an. Wenn man überlegt, welch lange Reise sie zu den damaligen Zeiten auf sich nahmen, um zu uns zu kommen“, lächelt Frau Kirschner. Die Fremdenbücher vergessen nichts. Unter Charakter trug man in den Fremdenbüchern den Beruf des Kurgastes ein. Sogar Nobelpreisträger, Kanzler und Präsidenten waren unter den Kurgästen. Einer der prominentesten Gäste war bestimmt der österreichische Bundeskanzler Julius Raab. Er reiste mit seinem eigenen Auto an und genoss gemeinsam mit seiner Gattin über ein Jahrzehnt regelmäßig Sommerfrische-Wochen in Obladis. Die Frau des Bundeskanzlers war nach einem Schlaganfall gelähmt. Burgl erzählt mir, dass ihr der 3-wöchiger Kuraufenthalt in Obladis immer sehr guttat. Auch der Bundeskanzler war gerne hier. Jeden Tag besuchte der katholische Kanzler die Kirche und ministrierte.
Apropos Auto: Gäste hatten in Obladis bereits ab 1911 die Möglichkeit, attraktive Ausflugsfahrten zu unternehmen. Fahrten nach Meran und St. Moritz waren besonders beliebt. Zudem wurden Sommerfrischler vom Landecker Bahnhof abgeholt. Schnegg Pepi und auch Jung Karl aus Prutz arbeiteten als Chauffeure für das Kurhotel Obladis und kutschierten Gäste aus aller Welt mit den „Schumacher-Autos“.
Von Brunnenfeen bis Erdbeerkindern
In der sogenannten Wandelhalle tranken Kurgäste den Sauerbrunn. „Damit das Wasser nicht zu kalt war, wurden die Gläser von den Brunnenfeen zuvor gewärmt“, erzählt Burgl. Den Gästen in Obladis fehlte es also an nichts. Im Kurhotel fanden zahlreiche Einheimische eine neue Unterhaltsmöglichkeit. Auch die kleinsten unter den Bewohnern versuchten für ihre Familien ein paar Groschen dazuzuverdienen. Die einheimischen Kinder boten den noblen Kurgästen beispielsweise die selbstgepflückten Walderdbeeren zum Verkauf an oder stellten in der offenen Kegelbahn die Holzkegeln wieder auf.
Renaissance der Sommerfrische
Auch wenn das Kurhotel Obladis nach dem Brand in den 70er Jahren nie wieder aufgebaut wurde, so erlebt Burgl auch in der heutigen Zeit eine Renaissance der Sommerfrische: „Immer häufiger merke ich, dass die Gäste von heute wieder auf der Suche nach dem ‚Guten‘ und den stillen Dingen in unserer schnelllebigen Welt sind. Das finden sie bei uns in den Bergen. Die wohltuende Einsamkeit auf ausgewählten Wegen rund um Obladis und in der gesamten Region, die klare Bergluft, die geselligen Abende mit der ganzen Familie, die regionalen Produkte auf unseren Tischen wirken Wunder. Und natürlich täglich ein Glas Sauerbrunn frisch von der Quelle. Ein Gast ist einmal acht Tage lang einfach herumspaziert. So erholt sei er noch nie gewesen.“ Ladis und seine zwei Schwestern Serfaus und Fiss bieten nach wie vor eine perfekte Infrastruktur, um Sommerfrischler zufrieden zu stellen. Wohin geht deine nächste Wanderung?
Burgl, no a paar Fragen ...
Frische Erdbeeren oder Erdbeermarmelade im Joghurt?
Im Sommer frische Erdbeeren, im Winter eindeutig Erdbeermarmelade.
Gekaufte Margarine oder hausgemachte Almbutter?
Almbutter – Spätestens am dritten Tag essen alle Gäste dann die hausgemachte Butter. Die Gäste müssen sich einfach daran gewöhnen und ihre alten Gewohnheiten ablegen. Unsere Region schmeckt jedem.
Trübsalbläser oder Frohnatur?
„Was glaubst du?“, grinst Burgl. Eine positive Lebenseinstellung lässt einen mit Sicherheit leichter durchs Leben gehen. Von ihr kann sich jeder definitiv eine Scheibe abschneiden.
Exotische Produkte oder regionale Kost?
Auch wenn man heutzutage natürlich alles im Geschäft bekommt, bin ich da eher altmodisch… oder besser gesagt vernünftig. Mir schmeckt Tirol einfach. Wo sie recht hat,… Die Region ist reich an regionalen Produkten. Sogar die Fisser Imperial Gerste wird zum hochprozentigen Trinkgenuss. Schon probiert?
Das klassische Mineralwasser oder doch Sauerbrunn?
Sauerbrunn natürlich. Ich trinke täglich ein Glas oder mehr davon.
Wandern oder spazieren?
Lange Wanderungen eher nicht mehr, aber dafür täglich ein ausgiebiger Spaziergang mit meiner Hündin. Bewegung in den Tiroler Alpen ist der Schlüssel zu einem gesunden Leben.
Einzelgänger oder Familienmensch?
Familienmensch. Ich habe zwei Söhne, die mich gut unterstützen. Thomas ist für die Abfüllanlage zuständig, Hubert für das Café und die Zimmervermietung. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Jungen das weiterführen, was die ältere Generation aufgebaut hat.
Einwegflasche oder Mehrwegflasche?
Mehrwegflasche aus Glas. Unser Familienbetrieb füllt ausschließlich in Glasflaschen ab.
Früher war oder heute ist alles besser?
Wir können versuchen, das „Gute“ der alten Zeiten heute zu leben. Die Gäste von heute suchen das Gleiche wie damals die Kurgäste bei uns: Ruhe, Entspannung, Familienglück.
Danke liebe Burgl, dass ich dich besuchen durfte. Auch wenn es das beliebte Kurhotel nicht mehr gibt, so bietet Ladis und die gesamte Region am Hochplateau seinen Gäste auch heute noch einen Urlaubsplatz, der einfach guttut. Gesunde Höhenluft, kristallklares und heilsames Wasser, verkehrsberuhigte Dörfer, ein ausgedehntes Wanderwegenetz und vieles mehr. Überzeug dich davon und erhol dich in SFL wie damals die Kurgäste. Zugegeben, mit Stock, eng geschnürter Taille und auffälligem Hut die Region zu erkunden, ist nicht mehr zeitgemäß, aber die damaligen Gäste hatten die gleichen Beweggründe wie wir heute: Dem Alltag entfliehen und Kraft in der Natur tanken.