Kunst auf 2.440 Metern Seehöhe
Kunst erleben, wo sie entsteht
Den 15 Außenkünstlern konnte in den ersten drei Septemberwochen neugierig über die Schulter geschaut werden. Zahlreiche Kunstinteressierte besuchten während der Betriebsszeiten der Schönjochbahn das 2.200 m2 große Open-Air-Atelier. „Wo gehobelt wird, fallen Späne" – oh ja – und wie sie fielen! Auch bei Kunst am Berg flogen Holzspäne, Marmorstaub wurde durch die Bergluft gewirbelt und Metallstücke fanden in einem Funkenfest ihre Einigung. Das mit weißem Marmorstaub bedeckte Gesicht von Thomas Lüscher will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ein sehr interessanter Künstler mit vielen Facetten! Der Schweizer Bildhauer war unter den ersten vier Künstlern, die bei Kunst am Berg mitwirkten. Bis heute ist er ein treuer Teilnehmer. Es ist unter anderem seinem guten Künstlernetzwerk geschuldet, dass sich diese Veranstaltung zu einem hochrangigen Kunstevent entwickelte.
Kunst mit allen Sinnen erleben
Kaum wusste ich, wohin ich meinen Blick als nächstes richten soll. Die Stimmung auf der Freiluft-Kunstbühne war schier elektrisierend. Künstler live bei der Arbeit zu sehen, bescherte nicht nur mir große Freude. Von allen Seiten umkreisten die Besucher die Bildhauer. Und wenn die Künstler mal nicht an ihrem Werk arbeiteten, dann wurde das noch unvollendete, aber bereits magisch anziehende Objekt, mit unbändiger Neugier unter die Lupe genommen. Auch ich konnte nicht anders und griff über den frisch polierten Stein oder ließ das duftende Sägemehl zwischen meinen Fingern durchrieseln. Kunst war an diesem Ort mit allen Sinnen erlebbar.
Hörst du mich?
Zum Schmunzeln brachte mich der Moment, als der Künstler Mario Raich der Figur von Mr. Walt Disney schließlich seine Ohren verpasste. Dieses Spektakel blieb von den neugierigen Blicken der Besucher nicht unentdeckt.
aus Kluan moch Groass
Die Bewegungen der Motorsägen, Schleifmaschinen, Meißel und Schnitzeisen wurden mit großer Sicherheit ausgeführt. Schließlich waren hier professionelle Bildhauer am Werk. Bei der Bewerbung für dieses Event, mussten sie sich bereits einige Monate zuvor von anderen Bildhauern abheben, um einen der begehrten Plätze auf 2.440 m zu ergattern. Dem Organisationskomitee präsentierten sie ihr Projekt unter anderem in Form eines Miniaturmodelles. 15 Künstler überzeugten die Jury. Die Besucher konnten stets mitverfolgen, wie aus etwas Kleinem etwas Großes wird, denn die Modelle standen direkt bei den Künstlern.
der Bajatzl, der Schabernack treibt
Drei Künstler arbeiteten mit Stein, drei mit Metall und neun weitere mit Holz. Der Materialmix sorgte für die unterschiedlichsten Kreationen. Das Holz stammt dabei unmittelbar aus Serfaus-Fiss-Ladis. Mit LKWs wurden die Lärchen- und Zirbenstämme an den Aktionsort transportiert. Nummern dienten der Orientierung. Eine so große Veranstaltung braucht schließlich Ordnung. Auf die Wünsche der Bildhauer bezüglich der Holz- oder Steinart und Größe wurde selbstverständlich eingegangen. Siegfried Krismer aus Fiss erzählte mir, dass er Zirbenholz bevorzugt: „Zirbe ist ein weiches Nadelholz und lässt sich besser schnitzen als die Lärche“. Aus dem Holzrohling kreierte er bei Kunst am Berg 2019 eine bekannte Figur der Tiroler Fasnacht (genauer gesagt des Fisser Blochziehens): den Bajatzl. Sein Werk ist übrigens mein Favorit. Schon der Künstler selbst ist ein wahrer Charakterkopf. Die "Maschgerer in Zwergenformat" können übrigens beim Kinderblochziehen am 02.02.2020 begutachtet werden. Vielleicht stammt ja die ein oder andere Larve von jenem Fisser Bildhauer?
Bitte ein kleines Stück vom großen "Kuchen"
Die Besucher hatten die Möglichkeit, sich ein Stück „Abfall“ direkt neben den Kunstwerken mitzunehmen. Ein duftendes Stück Zirbenholz oder lieber ein leuchtender Marmorstein vom über drei Tonnen schweren Laaser Marmorblock, der für Thomas Lüscher aus dem Südtirol nach Fiss gehievt wurde. Die Erinnerung an dieses Kunstevent soll auch daheim noch währen. Ein tolle Idee, die bei meinen Besuchen am Schönjoch für strahlende Augen sorgte. Ein Besucher ließ sich sogar vom Künstler höchstpersönlich sein Andenken auf einer Seite abschneiden, damit er es in seiner Heimat hübsch aufstellen kann.
Ideengeber und Initiator
Seit Anbeginn der Veranstaltung hört alles auf das „Kommando“ von Martin Kaplja. Er ist Organisator und Initiator von Kunst am Berg. Auch wenn er sich selbst nicht als Künstler bezeichnet, so treibt er Jahr für Jahr mit Leib und Seele dieses Projekt voran. Bevor es zur ersten Veranstaltung kam, besuchte er diverse Kunstevents und pflegte guten Kontakt zu renommierten Kunstschulen in der Umgebung. Neben dieser spannenden Tätigkeit während des Genussherbstes ist Martin Restaurantleiter bei den Bergbahnen Fiss-Ladis.
„Gute Nacht“ auf 2.440 m
Einige Künstler bezogen Anfang September ihre Zimmer direkt im Panoramarestaurant BergDiamant, die ausssschließlich während der Veranstaltung für sie eingerichtet wurden. Durch diese "Notzimmer" konnten sie sprichwörtlich Tag und Nacht arbeiten. Bei meinem Gedankenaustausch mit den Bildhauern erfuhr ich, dass einer immer mitten in der Nacht mit einem Scheinwerfer seine Figur formte. Er habe es bevorzugt, in aller Ruhe arbeiten zu können. So hoch oben, unter dem Sternenhimmel, Kunst zu betreiben, muss magisch sein.
Zudem erfuhr ich, dass alle Künstler, die unten im Dorf untergebracht wurden, ein Auto von den Bergbahnen erhielten, mit dem sie, unabhängig von den Betriebszeiten der Bergbahnen, ins Tal düsen konnten. Das gemeinsame Zusammensitzen aller Künstler im Aufenthaltsraum sei für alle sehr wichtig gewesen. Kunst schweißt zusammen.
Galerie "BergDiamant"
Aller Anfang begann nicht, wie man meinen würde, im Außenbereich, sondern direkt im Bergrestaurant. Schon sehr früh – noch vor Kunst am Berg – gab es Überlegungen, das Schönjoch zu einem Ort für Künstler zu machen und Künstler stellten ihre Werke im Innenbereich des Restaurants aus.
Während die Bildhauer bereits seit zwei Wochen eifrig an ihren Arbeiten werkelten, wurde das Bergrestaurant kurzerhand zur Galerie umfunktioniert. Auf Stellwänden geben dieses Jahr fünf Künstler seit 14.09. ihre Werke zum Besten und bieten diese auch zum Verkauf an.
Die Innenkünstler beeindrucken durch Vielfalt und Mut zur Experimentierfreudigkeit. Unterschiedlichste Materialien dienten den Künstlern als Untergrund: Metallplatten, Leinwände, Holz, Geweihe, Stein,…
Zudem sind im und vor den Eingängen des Restaurants einige Werke der Bildhauer ausgestellt. Auch diese können käuflich erworben werden. Hier kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr raus.
Kunstweg
Entlang des "Kunstweges", direkt am Schönjoch, können außerdem Werke von Bildhauern verschiedener Handwerksdisziplinen begutachtet werden. Die Kunstwerke wurden alle im Rahmen von Kunst am Berg erschaffen. Jährlich wird der Kunstweg mit neuen Exponaten erweitert bzw. Objekte werden getauscht und gehen an den Erschaffer zurück. Die Skulpturen sind alle käuflich erwerbar. Hier pocht das Künstlerherz garantiert schneller!
Lesetipp zum Kunstweg: Mit dem Kinderwagen auf dem Kunstweg am Schönjoch Fiss
Hüttenverkauf
Zahlreiche Hütten vor dem Bergrestaurant bieten allerlei Kunsthandwerk an. Sie laden zum Bummeln inmitten der traumhaften Bergkulisse ein. Souvenirjäger, die auf der Suche nach dem besonderen Geschenk sind, sind hier genau richtig!
Kunst verbindet Nationen
Insgesamt stammen die Teilnehmer von Kunst am Berg 2019 aus sechs Nationen. Glück im Unglück: Der Künstler aus China durfte bedauerlicherweise seine Motorsäge am Flughafen nicht mitnehmen. Glücklicherweise bekam er aber von den Bergbahnen umgehend ein perfektes Leihgerät gestellt.
Symposium
Höhepunkt des Kunstevents ist das Symposium am Sonntag, den 22.09.2019. Dort werden die fertigen Werke dem Publikum präsentiert. Die Galerie im Panoramarestaurant BergDiamant und die Verkaufshütten sind geöffnet und erwarten sehnsüchtig neugierige Betrachter und Souvenierjäger. Nicht verpassen!
Öffnungszeiten Schönjochbahn: 08.30 - 16.30 Uhr
Um 11.00 Uhr: Offizielle Begrüßung und Eröffnung der Vernissage
Musikalische Umrahmung mit Live-Musik
Mein FAzit
Da ich selbst Künstlerin bin, war ich von der ersten Sekunde an, als die schweren Holzstämme aufs Schönjoch gehievt wurden, von der Kunstveranstaltung begeistert. Bei meinen Besuchen konnte ich die Bildhauer live bei der Arbeit beobachten. Einfach herrlich. Der Duft der heimischen Hölzer, das Geräusch der Motorsägen und Meißel und die Energie, die die Künstler ausstrahlten, wird mich bestimmt noch länger begleiten. Zudem lohnt es sich, bei den Hütten im Außenbereich und auch in der Galerie im Restaurant vorbeizuschauen. Denn was passt besser zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen aus der hauseigenen Konditorei, als ein Rundgang durch eine bunte Kunstgalerie?
Kunst am Berg werde ich mit Sicherheit auch 2020 besuchen! Vielleicht wieder als Künstlerin in einem der aussichtsreichsten Bergrestaurant in Serfaus-Fiss-Ladis :)
Save the date!
Kunst am Berg 2020 vom 05.09. bis 11.10.2020