Ein Pistenbully arbeitet in den letzten Lichtstrahlen des Tages | © Serfaus-Fiss-Ladis Marketing GmbH | Rene Raggl
Autorin Rosanna Battisti | © Rosanna Battisti
Rosanna

Die Nachtwandler

27.12.2024 · Berge erleben, Winter
Wenn der Skitag in Serfaus-Fiss-Ladis zu Ende geht, beginnt ihr Einsatz: Dann fahren die PS-starken Pistenraupen aus, um die Abfahrten für den nächsten Tag zu präparieren. Wie man die 12-Tonner gekonnt steuert, wie viel Aufwand hinter einer glatten Piste steckt und warum Draufgänger hier fehl am Platz sind, verrät Fahrer Andi Marth.

Lesezeit: 3 Minuten

Wie ein großer Ozeandampfer, der das Meerwasser vor sich teilt, schiebt auch Andi Marth mit seiner Pistenraupe den Schnee vor sich her. Und die Schneewalze, die sich vor seinem Schild bildet, baut sich immer mehr auf; fast wie eine Welle, die im Meer langsam an Größe gewinnt. Wie viel Kraft in diesen Maschinen steckt! 530 PS und 12 Tonnen Gewicht beherrscht der Fisser über den Steuerknüppel, die Monitore, das Gaspedal und die vielen Knöpfe in seiner Fahrerkabine. Fast wie in einem Computerspiel. „Wenn man mitfährt, schaut das oft viel leichter aus als es ist“, sagt Andi.* Der 27-Jährige ist seit sieben Jahren Pistenraupenfahrer in Fiss-Ladis. Sein Arbeitstag gestern war anstrengend, Wind und Neuschnee sorgten für schlechte Sicht. Heute sind die Verhältnisse dafür optimal: Um 16.30 Uhr, kurz vor Dienstbeginn, strahlt die Sonne noch vom winterblauen Himmel. Für Andi Marth beginnt jetzt der Dienst und er dauert bis tief in die Nacht hinein. „Wir fahren mit der letzten Gondel bergwärts, machen in der Garage einen kurzen Maschinencheck und tanken. Um 17.00 Uhr fahren wir dann aus.“ Andis Reich und Arbeitsplatz ist der Funpark in Fiss: Gemeinsam mit dem Shaper im Park sorgt er jeden Abend nach Liftschluss dafür, dass die Hindernisse am nächsten Tag wieder in perfektem Zustand sind, kümmert sich um die Fun Slope, präpariert Zufahrts- und Verbindungswege oder schiebt Liftstationen nach Neuschnee frei. „Gegen 21 Uhr treffen wir Fahrer uns zum Abendessen, dann geht’s nochmal ins Cockpit. Dann fahren wir meist bis 1.30 Uhr nachts“, erzählt Andi. Wenn es in der Nacht viel Neuschnee gibt, verschieben sich die Arbeitszeiten noch einmal. „Dann starten wir erst um 1 Uhr und kommen nach dem Frühstück gegen 10.30 Uhr nach Hause“. Ob die Skifahrer, die heute im Skigebiet von Serfaus-Fiss-Ladis unterwegs waren, wohl wissen, wie viel Arbeit hinter den glatt präparierten Pisten steckt? 

*Dieser Beitrag stammt aus dem Sun Days-Magazin 2022-23.


Ein Gefühl wie im Sandkasten

„Mir machen die Arbeitszeiten nicht so viel aus. Im Gegenteil: Ich habe im Winter oft das Gefühl, ich habe mehr Freizeit als im Sommer. Das liegt daran, dass ich im Winter untertags oft zu Hause bin. Früher bin ich da Skitouren gegangen, jetzt verbringe ich diese Zeit mit meinem kleinen Sohn. Und wenn ich nachts aufstehen muss, lege ich mich früh mit ihm schlafen“.  

An seine erste Fahrt mit den PS-starken Geräten vor sieben Jahren kann sich Andi noch gut erinnern: „Ich fühlte mich, als würde ich im Sandkasten sitzen“, sagt er. „Wenn man zurückdenkt, was man alles tut und sich merken musste – ich würde nicht nochmal starten wollen! Für mich ist das mittlerweile wie Autofahren. Aber man braucht schon Zeit, bis man sich wirklich gut auskennt. Als Faustregel gilt: Eine Saison benötigst du mindestens, bis du es kannst und dann lernst du nie aus.“ Wer neu anfängt, muss viel Interesse mitbringen und sich mit der Maschine auseinandersetzen wollen. 

Zum Glück sind im Fahrerteam von Fiss-Ladis viele erfahrene Kollegen, die bei den Maschinen schon fast jedes Problem gesehen haben und Neulingen am Steuer weiterhelfen können. „Im ersten Moment, wenn etwas mit der Maschine nicht stimmt, ist das schon Stress. Und auch bei Schneefall muss man immer wieder aussteigen und Dinge reparieren.“ Wenn dann der starke Wind den Schnee vor sich hertreibt, kann es sein, dass Andi nicht einmal mehr das Schild vorne am Fahrzeug erkennen kann. Etwas Ernsthaftes passiert ist ihm – selbst bei diesen Bedingungen – zum Glück noch nie. „Aber es gibt natürlich Passagen, da will man nicht unbedingt über den Pistenrand fahren. Da muss man sehr aufpassen.“ Er erinnert sich auch an große Neuschneemengen, die fast nicht mehr zu schaffen waren. „Da drückst du den Schnee eigentlich nur mehr an, Pflug und Fräse helfen dir da nicht viel weiter.“ 


Feingefühl ist gefragt

Der Umgang mit dem Pflug ist für Andi auch das Schwierigste an seinem Job: „Bis man den sauber im Griff hat, dauert es. Mit dem Pflug sticht man schnell ein, dann hat man Löcher in der Piste. Und ich muss überlegen: Wie präpariere ich bei Neuschnee, wie mache ich es, wenn die Piste hart ist, wo lege ich den Pflug an?“, erklärt Andi. „Der Fokus muss immer sein: Ich schaffe die perfekte Piste.“ Die Fahrer, die am Steuer der großen Pistenraupen sitzen, tragen eine große Verantwortung: Schließlich sind nicht nur die Pistenraupen selbst sehr teuer, sondern auch jeder Schaden, den man verursacht.  


34 Maschinen, jeden Tag im Einsatz

Um das gesamte Skigebiet Serfaus-Fiss-Ladis jeden Abend und jede Nacht wieder auf Vordermann zu bringen, sind insgesamt 34 Pistenraupen jede Nacht unterwegs, 17 davon gehören zu Fiss-Ladis. Am meisten Arbeit hat das Team übrigens gar nicht im Winter, sondern bei der Vorbereitung auf die Saison: Mindestens einen Monat vor Eröffnung werden die Maschinen zum ersten Mal gestartet, um den technisch erzeugten Schnee aus den Schneekanonen und Schneelanzen zu verteilen und die Pistenspuren anzulegen. „Das muss man im Gefühl haben: Wie viel Schnee habe ich, wie viel brauche ich da? Du musst schauen, dass du nicht zu viel Energie verbrauchst.“ Es dauert mehrere Tage, bis eine Piste präpariert ist – und dann ist sie noch nicht in ihrer vollen Breite angelegt. „Dann hofft man, dass es wieder schneit und man den Neuschnee anfahren kann“, erzählt Andi.   

In seinem Team hat jeder Fahrer seine „eigene“ Maschine; Andi selbst fährt einen Prinoth Leitwolf. Während er mit seinem Pistengerät den Funpark bearbeitet, sind seine Kollegen auf den Abfahrten unterwegs. Um die ganz steilen Pisten zu bearbeiten, werden einzelne Pistengeräte mit einer Seilwinde gesichert. Bis zu vier Tonnen Zugkraft haben diese speziellen „Windenmaschinen“. Ist man da nicht nervös, wenn man mit einem mehr als zehn Tonnen schweren Gerät an einer Seilwinde in einer steilen Abfahrt hängt? „Eigentlich nicht“, schmunzelt Andi. „Mut spielt schon eine Rolle. Viel wichtiger ist aber, dass man fokussiert ist. Man darf nicht draufgängerisch sein.“  


„Ich habe mir einen Kindheitstraum erfüllt“

Während die Sonne an diesem Februartag langsam untergeht und die Berge Schatten werfen, nimmt sich Andi einen Moment Zeit für das Panorama. „Da hinten sieht man den Ortler, die Wildspitze und die Königsspitze und da den Tschirgant.“ Nach sieben Jahren kennt er die Bergspitzen, die er von seinem Arbeitsbereich aus sehen kann, ganz genau. „Wenn man gerne in den Bergen ist, ist es ein toller Arbeitsplatz. Und wenn du dann im Frühjahr mit der Sonnenbrille zur Arbeit gehen kannst, das hat schon was“, sagt er. Mit seiner Berufswahl ist Andi glücklich: „Ich habe mir einen Kindheitstraum erfüllt und darf diese Riesenmaschine fahren“. Nach sieben Jahren am Steuer ist es für ihn trotzdem an der Zeit für einen Wechsel. Nach der Wintersaison beginnt Andi eine Ausbildung zum Gesundheits- und Fitnesstrainer. „Die dauert ein Jahr und dann sehe ich weiter – ich kann mir schon vorstellen, dass ich dann im Winter wieder mit den Pistenraupen unterwegs bin.“ 


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