Mutprobe im Waldseilpark: Nur nicht nach unten schauen!
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Sich Zeit nehmen, stehen bleiben und tief durchatmen – das klingt in der Theorie sinnvoll. Aber hilft es auch in der Praxis?
Zwei Karabiner sorgen für Sicherheit
„Die nächsten Minuten müsst ihr gut aufpassen, dann seid ihr auf euch alleine gestellt“, sagt er, bevor er uns zeigt, wie die beiden Karabiner an unserem Gurt funktionieren. Die Rollenkarabiner verfügen über ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem. Sobald ein Karabiner geöffnet wird, blockiert der zweite automatisch. So ist es unmöglich, dass man sich versehentlich komplett aushängt und ungesichert am Parcours steht. So weit, so sicher: Aber was passiert, wenn man wirklich nicht mehr weiterkommt? „Es kann natürlich vorkommen, dass man bei einer Übung nicht mehr weiterkommt, nicht vor- oder zurückgehen kann. Dann helfen wir euch, ihr braucht nur zu rufen“, versichert mir Sandro. Dass jemand im X-Trees Waldseilpark Hilfe braucht, ist übrigens keine Seltenheit und auf keinen Fall ein Grund, sich schlecht zu fühlen: „Das kann jedem passieren, Kindern oder Erwachsenen. Manchmal überschätzt man sich oder unterschätzt die Höhe.“
Welchen Trick hat Sandro, wenn man mit Höhenangst kämpft? „Nicht nach unten schauen.“ Sehr witzig. Er zeigt auf einen der roten Parcours, bei dem man sich auf freischwebenden Kletterwänden von einer auf die andere Seite hangeln muss: „Bei diesem Parcours geht der erste Blick nach vorne, aber der zweite Richtung Boden. Davon darf man sich nicht den Mut nehmen lassen: Am besten sucht man sich ein Ziel am Ende des Parcours – wie einen Baumstamm und fokussiert darauf.“ Was noch wichtig ist: Sich Zeit nehmen, immer wieder stehenbleiben und tief durchatmen.
Ein Flug zum Start
Das alles klingt in der Theorie sehr sinnvoll – ob es mir in der Praxis weiterhilft, wird sich jetzt zeigen. Nachdem die Einschulung beendet ist, lässt sich Sandro von uns zeigen, ob wir gut aufgepasst haben. Einen Karabiner in das grün markierte Stahlseil einklinken, dann erst lässt sich der andere öffnen; soweit klappt alles gut. Die erste Übung wird auch gleich absolviert: Ein Aufwärm-Flug an der Seilrutsche, dem Flying Fox, zum Start. „Viele unserer Parcours starten mit einem Flying Fox, bei dem man sich wirklich in den Gurt setzen muss. Dann merken die Besucher gleich, dass man dem Sicherheitsgurt vertrauen kann“, sagt Sandro. Auf dem kurzen Flug klappt das zumindest ganz gut. Über unseren Köpfen absolvieren zwei Besucher gerade einen anderen Parcours und müssen sich an eine längere Seilrutsche wagen. Ganz ohne Überwindung klappt das auch bei ihnen nicht – und ich bin ein bisschen beruhigt.
Blau, rot oder schwarz?
Wir starten mit einem blauen Parcours. Wie auf den Skipisten gibt es auch im X-Trees Waldseilpark Farben, die den Schwierigkeitsgrad der Übungen anzeigen: Die blauen Parcours sind die Einsteigerstrecken. Sie sind maximal acht Meter hoch und dürfen auch von Kindern ab einer Körpergröße von 1,10 Metern alleine absolviert werden. Die drei roten Parcours sind schon schwieriger: Beim Parcours „Masnerflug“ wartet etwa eine 90 Meter lange Seilrutsche. Für die roten Strecken müssen Kinder mindestens 1,30 Meter groß sein, unter 14 Jahren braucht es eine erwachsene Begleitperson. Die schwarzen Parcours „Furgler“ und „Pezid“ sind für ganz besonders mutige und geübte X-Trees-Kraxler. Die Übungen finden hier in bis zu 14,5 Metern Höhe statt. Kinder müssen für die schwarzen Parcours mindesten 1,50 Metern groß sein und bis zu einem Alter von 14 Jahren von einem Erwachsenen begleitet werden – Chiara und Finn sind noch nicht groß genug, ich atme erleichtert auf.
Die Angst ein Schnippchen schlagen
Gleich beim ersten Parcours wartet ein großes Hindernis: Ich muss rodeln – auf einem Stahlseil in mehreren Metern Höhe und finde es gar nicht so einfach, mich überhaupt auf die Rodel zu setzen. Chiara und Finn haben das natürlich längst gemeistert und sausen nacheinander auf der Seilrutsche in die Tiefe. „Je älter man ist, desto mehr kippt dieser Schalter im Kopf, der uns vermittelt, da könnte ja was passieren. Kinder haben diesen Schalter noch nicht, die denken einfach nur: Cool, da geht’s runter!“, sagt Sandro, der seit sieben Jahren im Waldseilpark arbeitet und schon viele Mutproben wie meine gesehen hat. Diese „Cool, da geht’s runter“-Gefühl zelebrieren Finn und Chiara in den nächsten Stunden: Furchtlos und begeistert schwingen sie sich von Hindernis zu Hindernis, klettern ohne Mühe nach oben, rutschen nach unten, springen von Holzbrett zu Holzbrett. Ich bemühe mich, Schritt zu halten und mich immer nur auf die nächste Übung zu konzentrieren. Drei Parcours – einen blauen und zwei rote – meistere ich an diesem Nachmittag. Was mir hilft, ist das Gefühl, dass ich wirklich gut gesichert bin. Jeden Tag werden alle Parcours vom Team kontrolliert und zum Start der Saison kommt ein externer Spezialist, der alle Seile genau prüft. Eine Überwindung ist es trotzdem: Aber der innere Schweinehund wird langsam leiser.
Willkommen im X-Trees Waldseilpark!
Der X-Trees Waldseilpark befindet sich direkt am Ortseingang von Serfaus und ist über einen kleinen Pfad zu Fuß erreichbar. Wie übergroße Spinnennetze sind hier mehr als 1.000 Meter Parcoursstrecke zwischen den hochgewachsenen Föhren gespannt. Insgesamt gibt es im X-Trees Waldseilpark 13 Parcours in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden: Fünf blaue Einsteigerparcours, drei roten Strecken, zwei schwarze Parcours und der Einweisungsparcours. Speziell für die kleinen Besucher gibt es zwei gelbe Murmli-Parcours, auf denen auch die Jüngsten erste Klettererfahrung sammeln können. Der Kletterpark ist auch bei leichtem Regen geöffnet.