People of SFL: Sportler Wolfgang Timischl
Lesezeit: 6 Minuten
Nur Briefe gibt man auf
Was war zuerst da, der steierische oder der Tiroler Apfel? Naja, in diesem Artikel geht es nicht um die Henne-Ei-Geschichte an sich, sondern vielmehr um das, was im Jänner 2010 passiert ist und ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er heute ist. Bei meinem Treffen mit Wolfi, wie ihn seine Freunde nennen, sitze ich einem charmanten, offenen und lebensfrohen Mann gegenüber, der so was von weiß, was er im Leben will. Fast 11 Jahre liegen nun zwischen dem heutigen Moment und dem Tag, der sein Leben auf den Kopf stellte.
Fällt es dir leicht, über dein Schicksal zu sprechen?
Wenn ich mal schlechte Noten in der Schule hatte, dann weil ich kein Referat halten wollte. Mittlerweile rede ich aber gerne, vor allem, wenn ich weiß, ich kann Frischverletzten zur Seite stehen. Ich habe schon einige Vorträge über mein Schicksal gehalten, immer mit dem gleichen Ziel: Mut machen! Mitleid braucht nämlich niemand, erst recht nicht ich. Bei der Reha kommen auch immer Frischverletzte mit Altverletzten in ein Zimmer. Nach so einem traumatischen Erlebnis muss man reden, um den neuen Alltag meistern zu können. Die Menschen in Bad Häring haben mich aufgerichtet und nun versuche ich, für andere da zu sein.
Ohne meine Familie, meine Frau Sabine und meine Tochter Vivien, hätte ich es aber nicht geschafft. Neben meiner Familie, die immer hinter mir gestanden ist, hat sich auch mein Arbeitgeber, die Seilbahn Komperdell, vor und nach dem Unfall für mich stark gemacht. Ich wurde an einem Samstag aus der Reha entlassen, am Montag war ich bereits im Büro. Für mich konnte die Wiederaufnahme meiner Arbeit nicht schnell genug kommen. Ich bin wirklich sehr dankbar, dass mein Arbeitgeber mich nie im Stich gelassen hat. Was keinesfalls selbstverständlich ist. Da hab' ich echt Glück gehabt.
wie war das erste Mal wieder auf der Piste?
Nach dem Skiunfall wollte ich vom Skifahren erstmal nichts mehr hören. Martina, meine Therapeutin, hat mich jedoch dazu überreden können, an einem Schnupperkurs, bei dem sie selbst als Betreuerin dabei sein wird, am Kaunertaler Gletscher teilzunehmen. Die Auffahrt mit der Gondel war schrecklich. Die kalte Luft, der Geruch,… alles erinnerte mich einfach an jenen Jännertag. Bei meiner Tochter habe ich es nie toleriert, wenn sie etwas nicht probieren wollte.
Allein der Gedanke daran, dass ich als Vater nicht einfach aufgeben kann und ihr ein gutes Vorbild sein muss, hat mich durchhalten lassen. Nach vier Stunden habe ich mir dann bereits einen Monoski gekauft. Ich war sofort begeistert. Die Erlebnisse am Gletscher waren wirklich lebensverändernd, ich habe durch den Sport wieder zu leben begonnen.
Welcher Filmcharakter hat dich seit deinem unfall nachhaltig inspiriert?
Forest Gump. Er ist gelaufen, bis er nicht mehr konnte. Ich kann zwar nicht mehr laufen, aber dafür habe ich das Radeln ganz schön gut drauf. Bei meinen Touren liebe ich es, mich auszupowern, am liebsten in eine Richtung. Zurückfahren ist nicht so mein Ding. Ich gelange mit meinem Handbike stets an meine äußersten Grenzen.
Aufgeben? Nein, das gibt’s bei mir nicht. Bei allen Rennen muss ich mir immer zu 100% sicher sein, dass ich es auch schaffe. Nur höhere Gewalten können meine sportlichen Vorhaben stoppen. Mein Lebensmotto: Verfolge deine Ziele und gib immer 100%. Das Leben ist nämlich leider kein Wunschkonzert.
Wolfgang, Bist du glücklich?
Ja. Ich war auch vor meinem Unfall glücklich, bereits Vater einer wunderbaren Tochter und Mann einer großartigen Frau. Jackpot, oder? Alle, die jedoch behaupten, dass so ein Unfall sie nicht in ein tiefes Loch reißt, lügen. Aber ich habe mit der Hilfe besonderer Menschen um mich herum, meiner Familie, meinen Freunden und Therapeuten, den Weg raus aus diesem Loch geschafft.
Und ich muss sagen, mein Leben ist äußerst lebenswert. Der Unfall hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Ja, ich bin glücklich. Ohne den Vorfall hätte ich so viele wunderbare Menschen gar nicht erst kennengelernt. Mein Tipp: Mach' aus allen Situationen, auch wenn sie noch so grausam sind, etwas Gutes. Jede Krise ist nämlich auch eine Chance.