Das Comeback der Back-Tradition in Ladis
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Die Backstube im prächtigen Rechelerhaus in der Dorfstraße 7 in Ladis ist ein Erlebnis für alle Sinne. Im Backofen knistert das Feuer. Die Hitze treibt dir die Schweißperlen auf die Stirn. Die Enge vermittelt ein Gefühl von erdiger Betriebsamkeit. Nebst der archaischen Optik des imposanten Ofens sind es aber vor allem die Gerüche, die dir in nachhaltiger Erinnerung bleiben. Denn die harzigen Noten des Brennholzes und natürlich die Würze des Brotes in sämtlichen seiner Entwicklungsstadien vom Teig bis zur fertigen Backware verschmelzen hier zu einer Art aromatischen Gesamtkunstwerk. Kein Wunder, wenn du dich versucht fühlst, kurz die Augen zu schließen, um diesen speziellen Duft in seiner unvergleichlichen Bodenständigkeit zu verinnerlichen.
NOSTALGIE UND TRADITION
„Bei uns zuhause wurde früher ein Mal im Monat gebacken“, berichtet Stefan Netzer, der einer einheimischen Bauernfamilie entstammt, aus seiner Kindheit im Ort. Heute steht er dem 2020 gegründeten Backverein Ladis vor. Seine Augen leuchten, wenn er sich daran erinnert, wie sein Opa einst das trockene Vinschgerl zum Frühstück in den Kaffee eintunkte, um es aufzuweichen. „Die Lagerung des Brotes war damals noch ganz anders als heute“, ergänzt Stefans Frau Ulrike, die ebenfalls eine wichtige Rolle im Backverein spielt. „Zudem sind die Öfen hier in der Tiroler Region Serfaus-Fiss-Ladis schon sehr speziell, betont sie“. Stefan nickt. „Die Außenbacköfen haben im Oberinntal eine lange Tradition“, erklärt er. In Ladis gibt es ihm zufolge noch drei von ursprünglich „fünf oder sechs“ solcher Öfen, von denen wiederum zwei betriebsfähig sind. „Einer davon steht bei uns im Rechelerhaus“, so Stefan.
Nachdem er auch noch den Vorteig angerührt hat, formen Birgit und Natalie die Backwaren, mit denen Stefan im nächsten Schritt den Ofen „bestößt“, wie es im Bäcker-Latein so schön heißt. Zumeist halten sich nicht mehr als drei Personen gleichzeitig in der Backstube auf. Auf dem beschränkten Raum wirken diese dafür umso emsiger und die einzelnen Arbeitsschritte fügen sich nahezu nahtlos aneinander. Dabei kommt man schon vom Zuschauen ins Schwitzen! Für den Verkauf der verführerischen Ware ist wiederum in erster Linie Ulrike verantwortlich, die sich vor allem durch ihr Talent für administrative Aufgaben auszeichnet. Aber selbstverständlich helfen sich die Mitglieder des Backvereins gern gegenseitig, wenn es die Umstände erfordern, was in einem so urig-herzlichen Ambiente wie hier einfach zum guten Ton zählt.
Neben dem Holzbackofen stellt der Trog, in dem der Teig zubereitet wird, einen ebenso integralen Bestandteil der „Hardware“ des Backvereins dar. Das Zirbenholz für dessen Anfertigung beim örtlichen Tischler spendierte Stefans Bruder Leo Netzer. Nicht nur optisch ist das fesche Teil ein Upgrade gegenüber Behältnissen aus Plastik: „Der Geschmack vom Brot wird dadurch anders – und besser!“, schwärmt Stefan. Das Ergebnis gibt dem Backverein Ladis Recht. Nicht nur duften die Brote famos, nein, natürlich schmecken sie auch köstlich, wozu selbstverständlich auch die Bio-Zutaten einen erheblichen Beitrag leisten, wie Ulrike gern bekräftigt. „Wenn man auf den Boden des Brotes klopft und es klingt hohl, ist es fertig!“, verrät sie außerdem. Vom ersten Biss ins Vinschgerl über das schwelgerische Kauen bis hin zum wohligen Wonnegefühl im Magen – ein echter Hochgenuss, dieses Brot aus dem Holzbackofen!
vom hobby zur leidenschaft
Nein, zum Mitbacken ist die Stube leider nicht geeignet. Da würde man sich doch nur gegenseitig auf die Füße steigen. Allerdings können die Räumlichkeiten im Rahmen von Ausstellungen und gesonderten Führungen im und durchs Rechelerhaus, dem vermutlich ältesten bemalten Gebäude im Oberen Gericht, gern inspiziert und bestaunt werden. Zudem kann man die feinen Erzeugnisse des Backvereins Ladis jeden zweiten Mittwoch ab 16 Uhr beim Haus selbst zusammen mit Aufstrichen, Süßspeisen und Torten sowie anderen regionalen Produkten käuflich erwerben. Und wer versuchen will, ein paar Vinschgerln nachzubacken, kann sich selbstverständlich vor Ort nach einem simplen Rezept und weiteren Tipps erkundigen. „Jeder muss aber für sich selbst herausfinden, was für ihn selbst am besten passt!“, erklärt Ulrike abschließend.